Ja ich habe mich aufgeregt, ich war erbost und bin es immer noch. In Dresden sollen Flüchtlinge, denen der erste wichtige Schritt zur Integration in unsere für sie fremde Welt gelungen ist, in dem sie einen Job oder eine Ausbildung ergattert haben, zur Kasse gebeten werden. Haben sie erst einmal ein Bleiberecht und ziehen nicht sofort aus der ihnen zugewiesenen Sammelunterkunft oder Gewährleistungswohnung aus, werden bis zu 600€ monatlich fällig, so jedenfalls der Vorschlag des Sozialamts (nomen est no omen). Dieser Vorschlag flatterte Anfang Oktober via Vorlage auf den Tisch, der Gegenwind blieb nicht aus. Auch ich habe kräftig mitgepustet.
Nun rudert die Sozialverwaltung vorsichtig zurück, behauptet, nur eine kleine Gruppe von in die Arbeitswelt integrierte Menschen aus anderen Ländern seien betroffen und die nicht einmal in voller Höhe. Nur wer 1600€ netto im Monat verdiene, müsse den festgelegten Satz vollständig zahlen. Alle anderen könnten Anträge stellen, die, je nach Einkommen, eine Minderung der Unterbringungskosten bewirkten. Auszubildende könnten darauf hoffen, dass die Forderungen nicht sofort eingetrieben würden und ihnen Stundungen gewährt werden könnten. Das ganze Thema Unterbringung wächst sich so zu einem bürokratischen Monster aus, bei dem die Betroffenen zum Spielball einer vermeintlich wohlwollenden Verwaltung werden. Das hat mit einer Sozialpolitik, die Rechtsansprüche festschreibt statt Leistungen zu „gewähren“, nichts zu tun. Sie ist inhuman und in meinem Verständnis „systemübergreifend“ technokratisch. Sie ist vor allem aber auch integrationsfeindlich, bestenfalls ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für Verwaltungsangestellte.
Warum 600€ für 12 qm Wohnraum?
Wie bereits in meinem ersten Beitrag zu dem Thema beschrieben, legt die Verwaltung sämtliche Kosten, die der Stadt mit der Unterbringung von Flüchtlingen entstehen, um. In diese Gesamtkosten fließen die superteuren Verträge mit Hotels, die in der „Not-Situation“ 2015 abgeschlossen wurden, ebenso ein wie Vereinbarungen mit Betreibern von Flüchtlingsunterkünften inklusiv teurer Security-Maßnahmen. Auch der Leerstand, teils durch die Bereitstellung von Reserveplätzen, teils durch den Rückgang der Flüchtlingszahlen begründet, ist Teil dieses Zahlenwerkes. Die Gesamtkosten sind mit über 20 Mio. € jährlich enorm.
Daraus leitet die Verwaltung die Behauptung ab, die Stadt sei gemäß des Sächsischen Kommunalabgabengesetzes verpflichtet, sämtliche Aufwendungen in diese Berechnung einzubeziehen und je nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, auf die Nutzer umzulegen. Das ist FALSCH. Das zitierte Gesetz legt nur fest, dass man nicht mehr als die verursachten Kosten verlangen kann, keineswegs jedoch beinhaltet diese Vorschrift, dass man alle Kosten auf die Flüchtlinge abwälzen muss.
In der Diskussion mit der Verwaltung hat sich allerdings herauskristallisiert, dass es einen wesentlichen Grund für diese Vorgehensweise gäbe. Der Bund erstatte die Aufwendungen im Rahmen der Regelungen für die Kosten der Unterkunft der HARTZ IV-Empfänger nur, wenn sie auch konkret nachgewiesen würden. Das bedeute: Damit für arbeitslose Flüchtlinge nach dem Erlangen eines Bleiberechts, Bundesmittel in Anspruch genommen werden können, sollen die verdienenden Flüchtlinge diese Kosten mehr oder weniger mit finanzieren. Vorausgesetzt, diese Behauptung stimmt, ist das schlicht inakzeptabel.
Faire Kostenbeteiligung statt Wuchermiete
Für ein Bett in einer Flüchtlings-WG (im Unterschied zu einer echten WG können sich die Betroffenen allerdings ihre Mitbewohner nicht aussuchen) sollen also Verdienende bis zu 600 € bezahlen. Wie würden wir einen Vermieter titulieren, der für ein WG-Zimmer (also einer Unterkunft mit deutlich höherem Komfort) 600€ verlangen würde. Die Charakterisierung als „Miethai“ wäre in dem Fall fraglos berechtigt.
Deshalb hat der Vorschlag der Verwaltung einen Konstruktionsfehler. Für diejenigen, die mit eigenem Einkommen oder als Auszubildende in der Unterkunft bleiben, weil sie keine andere finden, oder aus gesetzlichen Gründen bleiben müssen, dürfen nicht die Kosten der Stadt Maßstab der Berechnung sein. Vielmehr muss ein fairer, nachvollziehbarer und auch vergleichbarer Preis festgelegt werden, den dann auch Flüchtlinge mit Einkommen aufzubringen haben.
Je fairer dieser Preis ist, desto weniger müssen mit komplizierten und bürokratisch aufwendigen Berechnungen Ermäßigungen „gewährt“ werden. Vor allem würde ein angemessenes Entgelt für die Wohnung auch den unsinnigen Vorschlag der Verwaltung ablösen, dass den Geflüchteten, ganz gleich ob sie 800€ oder 1600€ verdienen, das gleiche Geld zum Leben verbleibt weil der Rest für die Unterkunft zu zahlen ist. Für Auszubildenden stellt sich das Problem noch einmal ganz anders da. Wenn sie keine BaFöG-Leistungen oder entsprechende Ausbildungsvergütung erhalten, müssten sie nach jetzigem Sachstand den Betrag vollständig bezahlen.
Die Lösung
Ich will meine Meinung klar formulieren. Ein WG-Platz in einem Übergangswohnheim oder einer mit vielen anderen Personen geteilten Wohnung kann nicht mehr als 250€ wert sein. Auf dieser Basis sollten wir verdienende Asylbewerber an den Kosten der Unterkunft beteiligen, unabhängig davon, welcher Betrag mit dem Bund abgerechnet wird. Das liegt unter den Regelsätzen für HARTZ IV Empfänger, die haben aber immerhin den Vorteil, in vernünftigen Wohnungen leben zu dürfen. Betrachtet man, dass in der Regel betroffene Flüchtlinge selten mehr als 1000€ netto verdienen, würde eine solche Monatsgebühr auch vergleichbar mit den prozentualen Aufwendungen sein, die alle anderen für Wohnen ausgeben müssen.
Für Azubis ohne Einkommen und Anspruch auf Unterstützungsleistungen muss ebenfalls eine Regelung gefunden werden, bis hin zu einer kompletten Befreiung von den Unterbringungskosten.
Es wird jetzt die Aufgabe des Stadtrates sein, die unsägliche Vorlage der Verwaltung zu ändern. Auch die Flüchtlingsorganisationen haben das von uns eingefordert, denn die vorgeschlagene Regelung behindert integration und die Motivation, selbst für den Lebensunterhalt zu sorgen.
Frühere Beiträge zu diesem Thema: „Dresden will Flüchtlinge abzocken“
Update: Zwischenzeitlich hat der zuständige Sozialausschuss den Vorschlag der Verwaltung verworfen und stattdessen einen Änderungsantrag von GRÜNEN, LINKEN und SPD beschlossen. Demnach werden die Kosten nicht steigen, sondern abgesenkt.